in

Dem Paradies so nah

In den warmen Jahreszeiten wird der Garten zum Wohnraum unter freiem Himmel. Damit der Garten zu einem Ort der Kraft und Erholung wird, bieten Feng Shui, Geomantie und Co. verschiedene Lösungen.

Ein schamanisches Medizinrad als Zentrumgestaltung für den Garten.
Foto: Fabrice Müller

Fabrice Müller

Bis vor Kurzem war der Gartenteil auf der Nordseite des Hauses vor allem eines: Wiese. Allerdings keine besonders einladende, wie Florence Buchmann aus Liestal erzählt: «Ich machte hier jeweils meine Qi Gong-Übungen, doch so richtig wohl fühlte ich mich nie. Ich hatte das Gefühl, als fliesse alle Energie des Gartens hier ab und den Hang hinunter.» Es musste sich etwas ändern, sagte die ehemalige Schulleiterin und beschloss, den besagten Gartenteil neu gestalten zu lassen. Der Garten solle ihr helfen, sich an ihrem Wohnort zu verorten, zu verbinden – zu erden. «Bisher war dieser Gartenteil mehr Himmels als Erde. Künftig soll er mich in meiner persönlichen Entwicklung unterstützen. Gleichzeitig ist es meiner Meinung nach wichtig, jenen Ort zu schätzen und zu pflegen, der einem Heimat bedeutet», betont Florence Buchmann. Bereits seit einigen Wochen sind in ihrem Garten die Gärtner am Werk. Weil es für Bagger und schweren Gerät kaum Platz hat, wird von Hand mit Schaufeln, Pickeln und Schubkarren gearbeitet. Die Hauptrolle im neuen Gartenbereich von Florence Buchmann spielt ein Medizinrad bzw. Steinkreis mit acht Linien, die sich an den Haupt- und Nebenhimmelsrichtungen orientieren. Er bildet den neuen Mittelpunkt des Gartens. Dahinter entsteht eine Pergola aus Holzlamellen als Blickschutz. «Die Pergola und insbesondere der Steinkreis haben die Aufgabe, die Energie des Gartens zu fassen, zu halten und zu verteilen», sagt Ramon Martin, Landschaftsgärtner und Inhaber der gartenart GmbH in Liestal.

Herausfinden, was der Garten braucht

Wer die Werkstatt von Ramon Martin betritt, dem wird schnell klar: Dieser Mann mit Spitzbart und grauen Haaren ist kein gewöhnlicher Gärtner. Seine Werkstatt ist Büro, Lager und Atelier zugleich. Hier Skulpturen aus Stahl und Holz. Dort indianische Trommeln und Figuren. Mitten drin ein fein säuberlich geführtes Materiallager. Wenn Ramon Martin einen Garten begeht, weil er den Auftrag erhalten hat, ihn neu zu gestalten, lässt er den Gartenraum auf sich wirken. «Ich achte auf meine Gefühle, Wahrnehmungen, und auf meinen Arm, der mir als Pendel oft anzeigt, wo es besondere Orte im Garten hat.» Er versuche, all seine geistigen und sinnlichen Kanäle zu öffnen, um herauszufinden, wie es dem Garten geht, was er braucht. «Ich sehe mich als eine Art Vermittler zwischen den Kunden und ihrem Garten. Mein Ziel ist es, einen Garten entstehen zu lassen, von dem alle profitieren können, wo eine Beziehung zwischen Mensch und Natur entsteht», sagt Ramon Martin. Eine solche Beziehung lasse häufig zu wünschen übrig, meint der Gärtner, runzelt die Stirn und spricht das Machtspiel zwischen Technik und Natur an. «Der Wahn, alles in Griff zu bekommen und realisieren zu wollen, schadet der Natur, schlussendlich aber auch dem Menschen. Denn die Vitalität und Kraft eines Ortes gehen dabei verloren.» Manchmal seien Gärten Opfer von Fehlplanungen, oder man überfordere den Garten mit allzu vielen Anforderungen, die der Ort nicht erfüllen könne. Deshalb sei es wichtig, dem Garten eine Struktur zu geben, Räume zu schaffen, in denen sich der Garten entwickeln kann, betont Ramon Martin.

Skulptur und Wächterfigur in einem.

Der Garten als Spiegelbild

«Der Mensch gestaltet im Garten ein Stück Natur nach seinem Willen so, dass er sich darin wie in einem Spiegel selbst erkennt», sagt Stefan Brönnle, Geomant und Autor des Buches «Paradiesgarten». Dieser Drang nach Selbsterkenntnis und Selbstverwirklichung sei es wohl letztlich, der den Menschen über alle  Kulturen und Zeiten hinweg bis heute dazu trieb, Gärten anzulegen und zu gestalten. Mal folgte er dazu einem inneren Ideal, einer Vision und versuchte, die Natur diesem Ideal anzupassen. «Er nutzte dazu die Kraft der Symbolik, Sympathiemagie, die Erkenntnis der energetischen Gesetze oder auch einfach nur seinen Instinkt», so Stefan Brönnle. Die Geschichte der Gartenkunst sei eng mit dem Symbol des Paradieses verknüpft, also jenem Zustand vor der Schöpfung, in dem Geist und Materie, Mensch und Natur noch eins waren. In der heutigen Zeit könne ein Garten dazu beitragen, Mensch und Natur wieder näher zusammen zu bringen. «Immer mehr Menschen suchen im Garten einen Ort der Erholung, fernab vom beruflichen Stress», drückt es Martin Hoch, Geschäftsführer von Garten-Raum, ein Planungsbüro für Gartengestaltung in Weinfelden, und Autor des Buches «Garten-Raum – Auswirkungen auf die Persönlichkeit» etwas profaner aus.

Sinnliches Erlebnis

Der Spaziergang durch den Garten kann ein sinnliches Erlebnis sein. Die Augen zeigen uns Farben, Formen, aber auch Wärme und die Zeiten. Denn das Sonnenlicht verändert zusammen mit der Atmosphäre die Lichtabstrahlung des Gartenraumes. Mit den Ohren lässt sich der Aussenraum akustisch wahrnehmen, dies löst – so Martin Hoch – unterschiedliche Empfindungen aus: «Tiefe Frequenzen haben die gleiche Wirkung wie Wärmestrahlen und wirken beruhigend – etwa das Plätschern von Wasser oder das Rauschen des Windes durch ein Blätterdach.» Hohe Frequenzen dagegen – ausgelöst beispielsweise durch das Pfeifen der Vögel – wirken anregend und lösen Aktivität sowie Kreativität aus. Im Frühling und Sommer sind des auch die Düfte, die die Sinne betören: «Duftströme wecken unsere Widerstandskraft. Süssliche Duftstoffe wirken beruhigend und ausgleichend. Herbe Düfte regen an und wecken unsere Sinne», weiss Martin Hoch.

Gartengestaltung mit Feng Shui & Co.

Doch die Wirkung des Gartens macht nicht bei den Sinnen Halt. Der Garten ist – je nach Gestaltung – auch ein feinstoffliches Erlebnis. Hier kommen zum Beispiel die Geomantie, Feng Shui oder das indische Vastu ins Spiel. Diese energetischen Harmonielehren haben das Ziel, den Garten so zu gestalten, dass er die Menschen über den Energiefluss, auch Chi, Odem oder Prana genannt, stärkt und mit der Natur verbindet. Feng Shui etwa beschäftigt sich als ganzheitliche Disziplin für Haus, Garten und Mensch mit der Gartenqualität auf verschiedenen Ebenen. Manche davon sind komplex und für Laien kaum verständlich, andere sind leichter nachvollziehbar. Dazu zählt zum Beispiel auf der formalen Ebene die Wegführung durch den Garten: Weil auf schnurgeraden, langen Wegen die feinstoffliche Energie schnell und disharmonisch fliesst, werden im Feng Shui leicht geschwungene Pfade bevorzugt, die das Qi harmonisch im Garten verteilen.

Himmelsrichtungen und Horoskop

Die fünf Elemente Wasser, Holz, Feuer, Erde und Metall sind im Sinne des Fünf-Elemente-Kreislaufes und in Abstimmung auf die acht Himmelsrichtungen angeordnet. Die Himmelsrichtungen stehen auch für gewisse Lebensbereiche der Menschen. Sie lassen sich im Haus, aber auch im Garten stärken – beispielsweise mit dem Element Wasser im Norden, wo die berufliche Karriere beeinflusst wird, oder mit viel Grün und hochwachsenden Pflanzen im Osten, der der Familie und Gesundheit nahesteht. Auch die Geomantie arbeitet mit dem System der Richtungsqualitäten, ordnet ihnen jedoch teilweise andere Elemente zu als das Feng Shui. So wird der Süden in der Geomantie von der Emotion des Wassers bestimmt, während im Feng Shui der Süden vom Feuerelement genährt wird. Typisch für die Geomantie ist die Arbeit mit dem Tierkreiszeichen, die wiederum mit den Himmelsrichtungen in Verbindung stehen. Jedem Tierkreiszeichen sind Pflanzen zugeordnet. Auf diese Weise kann ein Horoskopgarten geschaffen werden, wo zum Beispiel ein Apfelbaum im Osten das Sonnenzeichen Stier und den Lebensaspekt Besitz, Sicherheit und Talente unterstützt. Eine Esche oder ein Lorbeer fördern im Südwesten das Sternzeichen Löwe und somit die Kreativität und Sexualität.

Kommunikation mit Naturwesen

Der Geomant Stefan Brönnle lädt dazu ein, in Kommunikation mit dem Garten zu treten und sich auf seine Naturwesen einzulassen. Der Biologe Rupert Sheldrake spricht hierbei von «Felder höherer Ordnung». Er geht laut Stefan Brönnle davon aus, dass jeder Wasserfall über den zugrundeliegenden Archetyp mit anderen Wasserfällen verbunden ist. «Wir sollten diesen geistigen Kräften in unserem Garten Respekt erweisen. Immerhin haben wir den Garten dem absoluten Einfluss der Natur entrissen und die Erde hier unserem Willen untergeordnet», sagt Stefan Brönnle und empfiehlt: «Achten sie darauf, dass die Kräfte im Garten zu ihrem Recht kommen, dass sie einen <Aufenthaltsraum> besitzen, dann wird der Garten seine Besitzer sinnhaft erfüllen.»

Wege zu einem kraftvollen Garten

Struktur: Geben Sie Ihrem Garten eine Struktur und schaffen Sie – je nach Grösse der Fläche – verschiedene Zonen, in denen es heller oder auch dunkler und ruhiger sein darf.

Zentrum: Finden Sie die Mitte Ihres Garten – entweder über die Intuition oder mit Hilfe des Pendels. Das Zentrum kann zum Beispiel mit einem Steinkreis, Brunnen, einem Baum oder einem Kunstwerk zu einem Kraftort umgestaltet werden.

Steine: «Sie enthalten eine geballte Ladung an Wissen und uralter Energie», sagt Ramon Martin. Diese Energie kann mit Hilfe der Steine im Garten verteilt und gelenkt werden – zum Beispiel als Steinkreis oder Steinspirale.

Pflanzen: In der Geomantie geht man davon aus, dass die Natur, so also auch die Pflanzen beseelt sind. Jede Pflanze hat ihre Eigenheiten und Kräfte. Der Wachholder etwa gilt als Schutz- bzw. Wächterpflanze, die Eiche steht für die männliche Marsenergie, der Rosmarin indes für die Weiblichkeit. Der Holunder ist als besonders mystische Pflanze bekannt. «Kräuter sind Brückenbauer und Türöffner zwischen den Menschen und den Kräften der Natur», sagt Ramon Martin.

Wasser: Wasser speichert die Lebenskraft Qi und bringt Leben in den Garten. «Bewegtes Wasser löst Motivation und Inspiration aus, stilles Wasser bringt Ruhe und stabilisiert das Gemüt», erklärt Martin Hoch. Das Element Wasser kann in Form eines Teiches, Brunnes, Bachlaufes oder auch nur als Vogelbad in den Garten integriert werden. In japanischen Gärten wird das Wasser oft auch mit Kiesflächen symbolisch dargestellt.

Feuer und Rauch: Das Element Feuer bringt Dynamik, Emotionen und Wärme in den Garten. Der Feuerplatz ist ein Ort der Kommunikation, aber auch der Rituale. Warum nicht den Garten regelmässig mit eigenen Kräutern räuchern bzw. energetisch reinigen? Gute Zeitpunkte zum Räuchern: 1./2.2. (Lichtmesse), 20.-23.3. (Frühlingsanfang), 21.6. (Sommersonnenwende), 20.-23.9. (Erntedank, Herbsttag- und Nachtgleiche), 21./22.12. (Wintersonnenwende).

Kompost & Co.: «Wenn der Kompost richtig betrieben wird, steht er für die Transformation von Materie und liefert wertvolle Erde für den Garten», so Ramon Martin. Äste und Schnittabfälle sowie Laub- und Steinhaufen bieten Platz für Tiere im Garten.

Linktipps:

www.garten-art.ch

www.garten-raum.ch

www.inana.info

Eine Auseinandersetzung mit den Themen des Lebens

Verschiebung ins Feinstoffliche